Der „Arbeitsgruppe für interreligiösen Dialog“ (GT-DIR) gelang es – obwohl Portugal ein überwiegend katholisches Land ist – den Dialog zwischen den Religionen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und auf die Agenda der portugiesischen Politik zu setzen.
Unter der Leitung des portugiesischen Hochkommissariats für Migration (ACM) fördert die Arbeitsgruppe die Verständigung und Zusammenarbeit zwischen mehr als 14 verschiedenen Glaubensrichtungen im Land. Außerdem bekämpft sie Diskriminierung aufgrund von Nationalität, Hautfarbe, ethnischer Herkunft und Religion.
„Diese Arbeitsgruppe beweist, dass Religion ein gemeinsamer Ort sein kann, an dem gegenseitiges Verständnis, Respekt und Integration gelebt werden. Sie ist eine unserer wichtigsten Initiativen“, sagt Sonia Pereira, Portugals Hochkommissarin für Migration.
Laut PEW Research bezeichnet sich kein anderes Land in Europa als so religiös wie Portugal. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung bezeichnen sich als römisch-katholisch, und 72 Prozent betrachten Religion in gewissem Grad als wichtig. Damit liegt das Land noch vor traditionell katholischen Hochburgen wie Italien oder Irland.
Diese Bevölkerungsstruktur ändert sich allmählich, da durch die Einwanderung immer mehr religiöse Minderheiten nach Portugal kommen.
Laut Pater Stilwell, Mitglied der Arbeitsgruppe und Direktor der „Abteilung für ökumenische Beziehungen und interreligiösen Dialog“ im Patriarchat von Lissabon, wurde interreligiöser Dialog ursprünglich als eine Möglichkeit gesehen, die soziale Eingliederung von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten in die portugiesische Gesellschaft zu erleichtern. Eine erste Arbeitsgruppe wurde gebildet, um die Integrationsbemühungen zu unterstützen. Sie wurde jedoch später wieder eingestellt.
Im Jahr 2015 gründeten religiöse Führer sowie Vertreterinnen und Vertreter der portugiesischen Regierung die „Arbeitsgruppe für interreligiösen Dialog“ (Grupo de Trabalho para o Diálogo Inter-Religioso) im „Nationalen Zentrum zur Unterstützung von Zuwanderern“ neu und unterstellten sie dem Hochkommissariat für Migration (ACM). Seitdem befasst sich die Arbeitsgruppe neben Migration auch mit Themen wie Bildung, Informationsaustausch, öffentliche Gesundheit und Pluralismus, um nur einige zu nennen.
Diese Arbeitsgruppe ist das Ergebnis jahrzehntelanger Anstrengungen zur Förderung der Religionsfreiheit in Portugal. Im Jahr 2001 verabschiedete das portugiesische Parlament ein Gesetz für Religionsfreiheit, um den Verfassungsgrundsatz umzusetzen, dass alle Religionsgemeinschaften, nicht nur die historisch privilegierte katholische Kirche, die gleichen Rechte und Pflichten haben.
Das Gesetz bestätigt zwar die klare Trennung zwischen Kirche und Staat, unterstreicht aber auch die Bedeutung ihrer Zusammenarbeit. „Auf diese Weise bedeutet das Gesetz für Religionsfreiheit auch einen Schritt nach vorn im Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften“, so Pater Stilwell.
Eine der obersten Prioritäten der Arbeitsgruppe ist der Bildungsbereich, einschließlich eines Programms zur Förderung des interreligiösen Dialogs in Schulen. Kürzlich beschloss die Gruppe, die „Interreligiösen Spiele“ zu organisieren, die junge Menschen aus verschiedenen Gemeinschaften und Religionen durch Sport zusammenbringen sollen.
Joaquim Jorge Moreira, Mitglied der Arbeitsgruppe und Ältester der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, erklärt: „Sport ist ein hervorragendes Mittel, um eine Botschaft der Verständigung und des Friedens zu vermitteln.“
Er glaubt, dass in portugiesischen Schulen mehr getan werden muss, um den Wert der religiösen Vielfalt zu betonen.
„Religionsgemeinschaften könnten während des Schuljahres die Möglichkeit bekommen, Klassen zu besuchen und Themen anzusprechen, die für Schülerinnen und Schüler relevant sind. Dafür brauchen wir jedoch die Unterstützung des Bildungsministeriums“, sagt er.
Pater Stilwell betont, dass der interreligiöse Dialog erstmals im Jahr 2000 die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit erregte, als die Gemeinschaft Sant'Egidio, die Mário-Soares-Stiftung und die örtliche römisch-katholische Kirche gemeinsam eine große internationale Veranstaltung in Lissabon unter dem Motto „Religionen und Kulturen im Dialog“ organisierten, um Frieden und Verständigung zwischen den Religionen zu fördern.
Der Informationsaustausch zwischen den religiösen Gruppen Portugals ist eine weitere wichtige Priorität der Arbeitsgruppe, so Stilwell.
„Während der COVID-19-Pandemie wandte sich die Regierung zum Beispiel manchmal zuerst an die katholische Kirche, einfach weil diese in Portugal so bedeutend ist. Dabei wurde jedoch vergessen, mit den anderen Glaubensgemeinschaften zu sprechen. Wir haben uns dann über die Arbeitsgruppe gegenseitig wichtige Informationen zukommen lassen“.
Einige religiöse Gemeinschaften stellten der Regierung Gebäude und religiöse Einrichtungen zur Verfügung, damit erschöpftes medizinisches und pflegerisches Personal während des Dienstes eine Pause einlegen, Impfaktionen durchführen oder vorübergehend Migrantinnen und Migranten unterbringen konnte. „Außerdem haben wir intern diskutiert, wie die Religionsgemeinschaften bei Impf- und Aufklärungskampagnen zur Bekämpfung der Pandemie helfen können“, so Moreira. „Es war wunderbar, mit der Regierung zusammenzuarbeiten.“
Trotz der säkularen und konfessionslosen Ausrichtung des Landes haben in der Vergangenheit hochrangige staatliche Vertreterinnen und Vertreter die religiöse Gruppierungen und den interreligiösen Dialog in Portugal unterstützt.
Laut Moreira hat Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa während seiner ersten Amtszeit fast alle Religionsgemeinschaften des Landes mindestens einmal besucht. Auch in der Zentralmoschee in Lissabon war er häufig zu Gast. Im letzten Jahr hat er während des Ramadans gemeinsam mit der örtlichen muslimischen Gemeinde das Fastenbrechen gefeiert.
Der ehemalige Präsident und Premierminister Mário Soares, der als „Vater der portugiesischen Demokratie“ bezeichnet wird, tat dasselbe.
„Obwohl er selbst nicht gläubig war, erkannte er die Kraft des interreligiösen Dialogs und war der Meinung, dass Religion eine wichtige Rolle im kulturellen Leben spielt. Sie hat daher einen Platz in öffentlichen Angelegenheiten“, erklärt Stilwell.
Trotz der guten Beziehungen zur Regierung sind sich Stilwell und Moreira einig, dass die Arbeitsgruppe in der Öffentlichkeit noch stärker wahrgenommen werden sollte, um sicherzustellen, dass der interreligiöse Dialog im ganzen Land verankert wird.
Obwohl es viel Unterstützung von Seiten des Hochkommissariats gibt, könnte mehr getan werden, um die Arbeitsgruppe in der breiten Gesellschaft bekannt zu machen. Moreira beklagt auch, dass die Medien kein großes Interesse an der Gruppe und ihren Aktivitäten haben.
Die externe Kommunikation der Gruppe, einschließlich Kampagnen in den sozialen Medien, ist in der Öffentlichkeit gut angenommen worden und hat Interesse geweckt. Moreira glaubt jedoch, dass KAICIID mit seiner internationalen Reichweite und seiner Erfahrung in der Lage sein könnte, das Profil des Dialogs in Portugal weiter zu schärfen.
Stilwell fügt hinzu, dass zusätzliche Unterstützung für die Arbeit vor Ort und im Bildungssystem erforderlich ist.
Dennoch ist der Erfolg der Arbeitsgruppe offensichtlich, denn sie hat die Führungsspitzen der portugiesischen Religionsgemeinschaften näher zusammengebracht.
„Eine der grundlegenden Tugenden dieser Gruppe besteht meiner Meinung nach darin, dass wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Wir sind Freunde“, sagt Stilwell. „Wenn ich ein Problem mit Joaquim habe, kann ich ihn anrufen und sagen: 'Hey, du trittst uns auf die Zehen'. Es ist ganz natürlich, dass wir uns von Zeit zu Zeit in die Quere kommen und anderer Meinung sind, sogar innerhalb der katholischen Gemeinschaft. Letzten Endes müssen wir jedoch erkennen, dass wir alle im selben Boot sitzen.“
Laut Stilwell ist deshalb der Dialog so wichtig, zumal die Religionen soziale und individuelle Identitäten definieren.
„Diese Identitäten können sich verschließen, unfähig zum Dialog oder zur Begegnung mit anderen“, fügt er hinzu. „Oder sie können zu Identitäten werden, aus denen heraus wir eine Gemeinschaft oder sogar Freundschaft mit Menschen anderen Glaubens aufbauen.“